Anatomie des Sakkos: Wichtige Nebensächlichkeiten.

Ein Widerspruch in sich? Ganz bestimmt nicht. Denn wenn man die Beratungsgespräche bei einem deutschen Herrenausstatter so mitanhört, bekommt man glatt den Eindruck, die Nebensächlichkeiten, um die es hier gehen soll, seien den Kunden oft wichtiger als die Grundlagen: Passform, Material und Herstellungsweise. Richtig ist natürlich, dass Details wie Taschen, Knöpfe, Gehschlitze und Rückenlösungen den Gesamteindruck stimmig abrunden oder nachhaltig zunichte machen können. Die Reihenfolge ist jedoch wichtig: Erst die Passform, dann die Details. Was nützt schließlich das schönste traditionelle Tweedsakko mit Blasebalgtaschen, Büffelhornknöpfen und Rückengürtel, wenn er an den Schultern zu eng, an der Taille aber zu weit und insgesamt zu lang ist? Stimmt die Passform, sind die Detailvarianten in der Ausstattung eines Sakkos allerdings schier endlos. Hier ein kleiner und unvollständiger Überblick:

Knöpfe: Das gute, das schlechte und das Imitat.
Knöpfe sind eines der Details, an denen sich die Geister scheiden. Der eine mag sie auffällig, stark kontrastierend zum Oberstoff und am liebsten deutlich als exklusiv erkennbar, der andere schätzt größtmögliche Zurückhaltung — einige Schneider halten für zweitere Kundensorte sogar graue Hornknöpfe bereit. Unstrittig ist jedoch, dass die Knöpfe eines Sakkos von hervorragender Qualität sein sollen. Wenig kann den Anblick eines ansonsten perfekt geschnittenen Sakkoärmels mit handgenähten Knopflöchern nachhaltiger zunichtemachen, als ein billiger Plastikknopf. Gebräuchliche Naturmaterialien für die Knopfherstellung sind Büffelhorn und Steinnuss, wobei Steinnuss den Vorteil hat, in nahezu jeder Farbe von dunkelbraun über cognac bis hin zu blau und rosa verfügbar zu sein. Büffelhornknöpfe sind, abhängig von ihrer Grundfarbe und Reinheit, zu sehr unterschiedlichen Preisen zu haben. Der besondere Reiz dieses Materials liegt darin, dass kein Knopf dem anderen vollständig gleicht. Übrigens: Ursprünglich trug man zur Tagesgarderobe genau drei, zum Sportsakko mitunter weniger Knöpfe am Sakkoärmel. Vier Knöpfe waren der Abendgarderobe vorbehalten. Heute kennt diese Regeln kaum noch jemand, weshalb zwischen zwei und fünf Knöpfen eigentlich alle möglichen Varianten anzutreffen sind. Die Grundidee bleibt dennoch erhalten: Je mehr Knöpfe am Ärmel, desto formeller das Sakko.

Taschen: Für die Hände und allerlei Gepäck.
Die gebräuchlichsten Taschenformen sind Paspel- oder Schlitztaschen, Patten- oder Klappentaschen und aufgesetzte Taschen. Die Reihenfolge der Nennung spiegelt bereits den Grad der Formalität wieder: Schlitztaschen sind obligatorische Begleiter der Abendgarderobe und eine elegante Option für formelle Tagesgarderobe, aufgesetzte Taschen bleiben besser der Sportgarderobe vorbehalten. Dazwischen rangiert als häufigste Konfiguration die Pattentasche. Sie besteht aus einem Eingriffschlitz, der oberhalb und unterhalb von einer Paspel eingefasst wird und einer separaten, zwischen den Paspeln angenähten Klappe, in der Regel aus dem Oberstoff des Sakkos. Diese Form bietet den Vorteil, dass der Tascheninhalt weniger leicht herausfallen kann und entstammt ursprünglich der Sport- und Jagdgarderobe. Schlitztaschen sind im Grunde nichts anderes als Klappentaschen ohne Klappe. Auch sie charakterisiert ein durch Paspeln eingefasster Eingriff. Aufgesetzte Taschen unterscheiden sich jedoch deutlich in der Konstruktion. Während die anderen beiden Taschentypen in den Oberstoff geschnitten werden und sich der Taschenbeutel so zwischen Oberstoff und Einlage befindet, wird hier ein mehr oder weniger rechteckiges Stoffstück —meist ebenfalls aus dem Obermaterial des Sakkos— auf die Jacke aufgenäht. Aufgesetzte Taschen können ebenfalls mit einer Patte und bei erhöhtem Platzbedarf auch mit Dehnfalten (man nennt sie dann Blasebalgtaschen) gearbeitet werden.

Rückendetails: Für Golfer, Jäger, Großstadtcowboys.
Die meisten Sakkos haben heutzutage glatte Rücken. Dies war jedoch nicht immer so. Auch heute noch sind einige Varianten, die die Sportjacke von der Anzugjacke deutlicher unterscheiden sollen, durchaus erhältlich und absolut tragbar. Die häufigste Abweichung von der glatten Norm stellt sicherlich der Rückengurt dar. Dieser besteht aus einem Streifen Stoff, der in Taillenhöhe horizontal auf dem Sakkorücken angenäht ist. Er hat ausschließlich optische Bedeutung; Fälle, in denen mit diesem Gürtel tatsächlich die Weite der Jacke reduziert werden kann, sind in der Regel Sonderformen wie dem norfolk jacket vorbehalten. Ebenfalls geläufig ist die sogenannte Golferfalte. Diese vertikale Falte verläuft an den Seiten jeweils von der Armkugel bis zur Taille des Sakkos und ist mit einem Rückengurt kombinierbar. Sie sorgt für größere Bewegungsfreiheit im Rücken. Eine Variante mit derselben Funktion existiert in Form einer Dehnfalte in der Mitte des Sakkorückens. Beide Varianten wirken im städtischen Umfeld recht exzentrisch, können aber bei Sportsakkos ihren Nutzen haben.

Ein Wort der Warnung: Detailverliebtheit und Detailflut.
Wenn auch die Versuchung angesichts der reichhaltigen Wahlmöglichkeiten noch so groß ist: Zu viele, im einzelnen betrachtet vielleicht noch reizvolle Details am Sakko verderben in aller Regel den Gesamtendruck und verstellen den Blick aufs Wesentliche: Ihren Träger.

Kategorie: Magazin, Anatomie des Sakkos

Florian S. Küblbeck

Florian S. Küblbeck ist freier Journalist und schreibt vor allem über Mode, Stil und Genuss. Mit seinem Erstwerk "Was Mann trägt: Gut angezogen in zwölf Schritten" gab er 2013 sein Debüt als Buchautor.

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